Jost- und Antoniuskapelle, Oberalikon bei Sins
Standort: Sins
Zweierlei Patrone
Noch immer wird er feierlich begangen, der Jahrestag des Aliker Kapellenpatrons St. Jost. Am Morgen des 13. Dezembers kommt die Dorfbevölkerung zum Festgottesdienst in der Kapelle zusammen. Das kleine Bauerndorf Alikon am Osthang des Lindenbergs gehört zur Gemeinde Sins, und schliesst mehrere Weiler ein (Ober- und Unter-Alikon, Galgenrain, Tönihof, Holdenstock und Hasel, die Aufzählung ist nicht abschliessend), die sich über ein grösseres Gebiet mit über 200 Höhenmeter Gefälle erstrecken.
Mit offenen Armen
Während das eigene Bethaus in Ergänzung zur Mutterkirche in vielerlei Gegenden oft das Resultat eines langwierigen, sich mitunter über Jahrhunderte hinziehenden Prozesses war, hatte die seit jeher zur Pfarrei Sins gehörende Gemeinde mehr Glück. Dem Begehren wurde im 18. Jahrhundert mit offenen Armen entsprochen. Der Bischof unterstrich in seiner Erlaubnis den weiten, oftmals von widrigen Umständen begleiteten Kirchgang nach Sins, die «gnädigen Herren von Luzern» liessen den Alikern gar Baumaterial aus ihrem Steinbruch in Root zukommen. Es war dies die Zeit des religiösen Aufbruchs als Folge der Gegenreformation, die letztlich den Alikern im Vergleich zu anderen Gemeinden in späteren Jahrhunderten in die Hände spielte. Am 13. Dezember 1756, dem Josttag wohlgemerkt, wurde die Kapelle dem in der Innerschweiz beliebten Heiligen geweiht. Jost, ein bretonischer Adliger, der den Pilgerstab fürstlicher Herrschaft vorzog, wird bereits seit dem Mittelalter verehrt. Er gilt als Beschützer der Pilger und Reisenden, der Fischer und Bäcker. Die Bauern anempfehlen ihm ihr Vieh gegen Seuchen, ihre Höfe gegen die Feuersbrunst, die Feldfrüchte gegen Wetterschäden.
Eine echte Reliquie
In Alikon teilt sich der Heilige Jost das Patrozinium mit Antonius von Padua. Dies, weil die Kapelle in den Besitz einer echten Reliquie des weithin verehrten Wundertäters gelangte. So stehen denn die Figuren der beiden Patrone zu beiden Seiten des Altars und flankieren Maria im Hauptblatt, wohl eine Referenz an die Mutterkirche in Sins. Beachtung verdient überdies der barocke Kruzifixus, der vom Chorbogen in den Raum hinabhängt, derweil Maria und Johannes als Zugehörige der Kreuzigungsgruppe auf den Säulenplateaus des Bogens stehen (Ton-figuren aus dem 18. Jahrhundert). (acm)
Die Gerechtigkeiten
Im Oberen Freiamt existiert mit den Gerechtigkeiten ein besonderes Überbleibsel aus alter Zeit. Unter einer Gerechtigkeit verstand sich ursprünglich ein Anteil am Gemeindeland, das mit entsprechenden politischen Rechten und Pflichten verknüpft war. Zunächst war eine Gerechtigkeit mit einem Grundstück verknüpft, was jedoch ab dem 16. Jahrhundert allmählich zugunsten einer Personenbindung abgelöst wurde. Die Inhaber der Gerechtigkeitsanteile bildeten die vollberechtigte Gemeinde. Zu deren Aufgaben gehörte der Unterhalt der Strassen, Brücken, Brunnen und Kapellen. Zudem unterstand ihnen die Feuerpolizei. Zu erwirtschaften galt es diese Leistungen mittels des zur Verfügung stehenden Allmendlandes, meist Wald und Feld. In guten Jahren fiel auch für die einzelnen Träger der Gerechtigkeiten etwas ab. Heute haben sich die Inhaber einer Gerechtigkeit in Korporationen, sogenannten Gerechtigkeitsvereinen, zusammengeschlossen, die in Alikon, Meienberg und Aettenschwil noch immer für den Unterhalt der Kapelle aufkommen.
Spiritueller Impuls
«Antonius zur Predigt / die Kirche findt ledig / er geht zu den Flüssen / und pre-digt den Fischen. // Kein Predigt niemalen / den Fischen so gfallen. //» – so ein Liedtext zur berühmten Predigt des Antonius zu den Fischen. Wie sein Ordens-gründer Franziskus, der den Vögeln gepredigt hatte. Dazu passt der Heilige Jost (Josse, Jodok, je nach Sprache) überraschend gut. Von seiner auf einer Flussinsel gelegenen Zelle füttert er Vögel und Fische – diese werden zahm. Es gibt Statuen, die zeigen den Heiligen Jost mit Haustieren, die sich an ihn schmiegen. In der letzten Zeit wurden, vor allem in «City-Kirchen», Haustier-Segnungen beliebt.
Wir Menschen spüren, wir sind nicht alleine auf der Welt. Die Natur, die Mitwelt, die Geschöpfe: Auch für sie schaut Gott. Was heisst da, der Mensch sei die «Krone der Schöpfung»? Der Heilige Jost legte seine Krone demonstrativ auf den Boden und nahm den Pilgerstab. Machen auch wir uns auf den Weg, zu einem neuen Umgang mit Tier, Haustier, Mitgeschöpfen, Mitwelt!
Thomas-Markus Meier
Standort
Antoniuskapelle, Alikonerstrasse, Oberalikon bei Sins
ÖV: Via Bremgarten-Wohlen oder Lenzburg mit der S-Bahn in Richtung Rotkreuz bis Sins. Von dort mit dem Bus (Richtung Fenkrieden) bis Haltestelle «Oberalikon». 50 Meter retour gehen – dort befindet sich die Kapelle.
Individualverkehr: Via Lenzburg oder Dietikon-Bremgarten-Wohlen in Richtung Sins. Der Aarauerstrasse entlang in Richtung Auw bis Meienberg. Dort in Richtung Unter- und Oberalikon. In Oberalikon rechts in Richtung Auw abbiegen (Parkplätze beim Restaurant Kaufmann vis-à-vis Kapelle).
Öffnungszeiten
Von 8 bis 20 Uhr.
Kontakt/Reservationen
Pfarramt Sins
Tel. 041 787 11 41
sekretariat@pastoralraum-oberesfreiamt.ch
www.pastoralraum-oberesfreiamt.ch