Aargauer Kapellen

Wegkapelle Wili, Muri

Standort: Muri

Von Widersprüchen und Rätseln

Wegkapellen finden sich entweder entlang von Pilgerwegen oder an Abzweigungen, wo einst ein Kreuz stand. Ebenso kam häufig vor, dass Besitzer eines Hofes, die ausserhalb des Ortsschutzes lagen, mit der Errichtung einer Hofkapelle Mensch, Vieh und Gehöft dem Schutz der göttlichen Mächte anvertrauten. So dürfte es auch im Falle der kleinen Wegkapelle im Wili geschehen sein, die im Volksmund «Siebenschläferkapelle» genannt wird. Aus welchem Grund sie 1749 im Weiler nördlich von Muri zu stehen kam, ist nicht dokumentiert und vermag heute niemand mehr zu sagen. 1806 wurde sie an der heutigen Stelle errichtet, 1955 daselbst nochmals neu gebaut. 
 

Zweierlei Schläfer

Die Bezeichnung «Siebenschläferkapelle» geht auf das Ölbergrelief aus Lindenholz zurück, das die kleine Kapelle schmückt. Auf der Darstellung schlafen Jakobus, Johannes und Petrus im Garten Gethsemane, obschon Jesus sie gebeten hatte, mit ihm zu wachen. In diesem Zusammenhang jedoch von Siebenschläfern zu sprechen, ist verfehlt, handelt es sich bei den Siebenschläfern um Gläubige, die während der Christenverfolgung im 3. Jahrhundert nahe Ephesus lebendig eingemauert wurden. Der Legende zufolge starben sie nicht, sondern schliefen bis zu ihrer Befreiung knapp 200 Jahre später. Dies ist jedoch längst nicht das einzig Irritierende rund um die Wili-Kapelle. So sind manche Leute im Dorf der Auffassung, einer der angrenzenden Landwirte habe 1955 die Kapelle auf eigene Kosten neu gebaut, was jedoch von den im Wili ansässigen Bauern verneint wird.
 

Eine schöne Geste

Gerne erinnern sich die Leute aus dem Umfeld der Klosterkirche Muri allerdings folgender Episode, die gegen Ende der 1990er Jahre der kleinen Wegkapelle im Wili zu Gute kam. Nach Abschluss der umfangreichen Restaurationsarbeiten an der Klosterkirche entschlossen sich Maler und Restauratoren, zum Dank für die ertragreichen Aufträge die «Siebenschläferkapelle» auf eigene Rechnung in Stand zu stellen. 
 

Entsorgte Kunstgegenstände

Das Ölbergrelief aus dem Jahre 1540 wird von einer Michaelsplastik und einer nicht näher definierbaren geistlichen Figur flankiert. Eine Auswahl an Gegenständen, die ursprünglich irgendwo anders in Muri ihren Platz hatte und wohl abgeschoben wurde. Der Ölberg dürfte in der Friedhofskapelle gestanden haben, bis diese beim Umbau der Pfarrkirche 1934 bis 1937 abgebrochen wurde. Was den Heiligen Michael betrifft, so hält sich unter Sachverständigen der Verdacht, es handle sich um jene Figur, die der Zuger Bildhauer Carl Schell 1678 für den Seitenaltar der Pfarrkirche stiftete, um in die Michaelsbruderschaft, eine Handwerkerzunft, aufgenommen zu werden. Besagter Seitenaltar wurde im 20. Jahrhundert bei Umbauarbeiten geopfert. So kam jener Michael ins Wili. Am kuriosesten erscheint die Figur des Geistlichen, die wohl ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammt. Heiliger Goar oder Burkhard? Beides ist möglich. Jedenfalls ist die rechte Hand samt Kelch eine Zugabe aus späterer Zeit. Zudem erhielt die Figur ihren kurzen Gehrock zu einer Soutane verlängert, was jedoch 1998 im Rahmen der letzten Restauration wieder rückgängig gemacht wurde. (acm)
 

Spiritueller Impuls: «Mit jedem Atemzug empfange ich mich neu.» 

Wegkapellen sind eine Einladung, stehen zu bleiben, um vielleicht einen Moment lang bewusst dem Atemfluss zu folgen. 

Nach biblischem Verständnis beginnt das Leben des Menschen damit, dass Gott uns seinen Lebensatem einhaucht. Der Atem ist demnach das Geschenk des Lebens. Mit jedem Atemzug wird uns Leben neu anvertraut. Wollten wir es ängstlich behalten, so würden wir bald ersticken. Im Ausatmen ist uns die Möglichkeit gegeben, auf dieses Geschenk zu antworten. Ausatmend sprechen und singen wir. Ausatmend verschenken wir uns zurück an die Welt. Würden wir jedoch nur noch ausatmen, so wären wir sofort erschöpft. Darum empfangen wir nach jedem Ausatmen einen neuen Atemzug. Erlauben wir uns, in diesem Bewusstsein zu atmen: 

Einatmend empfange dich ganz neu, ausatmend verschenke dich an die Welt …

Claudia Nothelfer

Standort

Wegkapelle Wili, Muri

ÖV: mit der S-Bahn ab Lenzburg oder Wohlen nach Muri. Vom Bahnhof Muri aus Fussweg in Richtung Klosterkirche nehmen. Bei der Chäsi Muri rechts abbiegen, Wiliweg bis zur Kapelle folgen (15 Minuten).

Individualverkehr: Anreise mit dem Auto via Mutschellen-Bremgarten-Wohlen oder Lenzburg ins Bünztal. Auf der Aarauerstrasse in Richtung Muri, etwa 1 km vor Ortseinfahrt beim Wilihof rechts abbiegen und beim Hof parkieren. Die Kapelle befindet sich unmittelbar beim Hof.
 

Öffnungszeiten

Ganzjährlich einsehbar. Der Zugang ist mit einem Eisengitter verschlossen.
 

Kontakt

Muri Info, Tel. 056 664 70 11
www.pfarreimuri.ch