Kapellen
Angelsachsenkapelle, Waltenschwil
Den Kopf gewaschen
Wunderglauben hin oder her: Dass zwei Pilger, denen bei einem Überfall der Kopf abgeschlagen wird, diesen eigenhändig in einem Brunnen waschen, bevor sie ihn sich unter den Arm klemmen und ihren Weg fortsetzen, klingt nicht unbedingt glaubwürdig. Offenbar wurden im 14. Jahrhundert zwei Pilger, von Einsiedeln her kommend, nach ihrem Aufenthalt in Boswil von Wegelagerern überfallen. Allerdings ereilte die Opfer nicht an Ort und Stelle der Tod. Dies dürfte Anlass zu Spekulationen gegeben haben.
Heilwasser anstelle von Kopfschmerztabletten
Wir dürfen vermuten, dass den überfallenen Wallfahrern der Schädel eingeschlagen wurde. Im seinerzeit üblichen Sprachgebrauch hiess das, den Leuten sei der Kopf abgeschlagen worden. Auch der Ausdruck «mit dem Kopf unter dem Arm» stammt aus jener Zeit und hat sich bis heute gehalten, bedeutet aber «ernsthaft verletzt». Höchstwahrscheinlich erlitten die beiden Angelsachsen beim Überfall schwere Schädelbrüche, verstarben indes nicht gleich am Tatort. Vielmehr dürften sie sich aufgerafft und weiter gegen Sarmenstorf gezogen sein. Beim «Brünneli« oberhalb des Büelisacker, wo heute die kleine Wegkapelle steht, werden sie sich die Köpfe gewaschen haben, wohl in der Hoffnung, Linderung zu erfahren. Das Wasser galt schon den Römern als «heilkräftig» und wird bis heute von den Menschen im Bülisacker gegen Kopfschmerzen verwendet.
Neuer Standort
Auf der Anhöhe oberhalb von Sarmenstorf dürften die Schwerverletzten dann zusammengebrochen sein. Der Vorfall ereignete sich alten Überlieferungen zufolge im Jahre 1309. Nachdem die Hallwyler um 1311 am Fundort der Pilgerleichen eine Kapelle stifteten (die spätere Wendelinskapelle zu Sarmenstorf), soll noch im 14. Jahrhundert am alten Hohlweg nach Büttikon eine Wegkapelle erbaut worden sein. Inwieweit diese ebenfalls auf eine landesherrliche Stiftung zurückgeht, ist nicht gesichert. Jene alte Kapelle, alten Karten zufolge auf der Seite des Brünnleins, etwas unterhalb, wurde jedoch im 19. Jahrhundert abgerissen. Sie war derart baufällig geworden, dass sich eine Instandstellung nicht mehr lohnte. Im Jahre 1861 wurde die Kapelle am neuen Standort neu aufgebaut.
Zweierlei Bilder
Für die neue Kapelle sollte aber noch etwas Neues ergänzt werden. Der damalige Pfarrer Böcklin erhielt von der Gemeindeversammlung den Auftrag, für die malerische Ausstattung der Seitenwände einen geeigneten Künstler zu suchen. Es fand sich der in der Region bereits bekannte Abtwiler Kunstsammler und Maler Joseph Balmer, der auf zwei Darstellungen die Angelsachsen-Legende illustrierte. Um die Bilder aus dem Jahre 1863 nicht dem Witterungszerfall auszusetzen, wurden sie 1989 restauriert und in die Pfarrkirche überführt, wo sie an den Seitenwänden des Chors angebracht sind. Als Ersatz für Balmers Bilder fanden die 1944 von Hans Zürcher gemalten Illustrationen der Angelsachsensage Aufnahme in die Kapelle. Zürcher orientiert sich bei der Gestaltung stark an den Motiven von Balmer, zeigt jedoch die Legende auf vier Bildern. (acm)