Kapellen
Muttergotteskapelle, Uezwil
Das Sebastianswunde
Das sei noch ein idyllisches Dorfbild, wie man es heute selten kenne, freut sich ein alteingesessener «Uezmeler» mit Blick auf den ländlichen Kirchenbau inmitten des alten Dorfes, schräg vis-à-vis der alten Käserei. Keck reckt sich der spitzbehelmte Dachreiter in die Höhe, damit, wer vom Niesenberg oder von Büttikon her kommt, die Kapelle von weitem sehen kann.
Das ganze Dorf feiert den Schutzpatron
1767 anstelle einer älteren, baufälligen Anlage errichtet, wurde das Kirchlein 1780 zu Ehren der heiligen Geburt Marias geweiht. Doch nicht die Gottesmutter, sondern die Pestheiligen Sebastian und Fabian prägten die Bedeutung der Kapelle. Noch heute gilt der 20. Januar, der Namenstag der beiden Heiligen, in Uezwil als Feiertag. Dieser wird mit einer Messe begangen, in der die Primarschulkinder jeweils das «Sebastianslied» zum Besten geben. Überhaupt haben sich rund um jenen Tag verschiedene Gebräuche über Generationen erhalten: Die Abgewanderten kommen auf einen Besuch zurück ins Dorf, die Familien treffen sich, es wird getafelt.
Von der Cholera verschont
Seit Mitte des 19. Jahrhundert besteht diese Tradition. Als Ursprung gilt der Ausbruch der Cholera in Europa. Als in den 1830er Jahren erste Seuchenfälle aus dem Tessin gemeldet wurden, ging im Aargau die Angst um. In der Kantonshauptstadt beschloss die Regierung, dass alle Gemeinden vorsorglich Krankenpfleger zu stellen hätten. Die «Uezmeler» weigerten sich und meinten, dass der Heilige Sebastian das Dorf beschützen werde. So wurde in der Kapelle eine Statue des Pestheiligen aufgestellt. In der Tat: Die Cholera blieb fern, auch während der folgenden Epidemien, welche in den 1850er Jahren den Aargau erreichten. So wurde in Uezwil beschlossen, Sebastians Namenspatrozinium mit einem Ehrentag besonders zu würdigen.
Lebende Zielscheibe
Ein korbbogiges Barockportal mit Vordach gewährt Zugang zur Kapelle. Noch heute stehen Sebastian und Fabian zu beiden Seiten des grau-schwarz marmorierten Altars aus dem Jahre 1838. Deutlich erkennt man Sebastian zur Linken, den Körper von Pfeilen durchbohrt, weil er seinerzeit unter dem Römischen Kaiser Diokletian wegen seines Christenglaubens als lebende Zielscheibe herhalten musste. Als ihm die Pfeile nichts anhaben konnten, liess Diokletian den Märtyrer erschlagen.
Wiederentdeckte Deckenmalerei
Im Hauptblatt des Altars ist eine klassizistische Kreuzigungsdarstellung zu sehen, im Auszug eine Mariendarstellung. Ein Triumphbogen trennt Chor und Schiff. Seitlich des Bogens finden sich Plastiken von Maria und Josef. Die Decke des Kirchenschiffs ziert ein volkstümliches Fresko. Dieses stammt aus dem Jahre 1772, war aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts übermalt worden. Bei der letzten Renovation 1976 wiederentdeckt, wurde das ursprüngliche Gemälde wieder freigelegt. (acm)