Kapellen
Verenakapelle, Herznach
Dichtung und Wahrheit
Sie sei das älteste Gotteshaus im Fricktal und berge die letzte Ruhestätte des Basler Bischofs Landelous, erzählte einst der Volksmund. Grund für diese Behauptungen war ein 1904 in der Kapelle entdecktes steinernes Kreuzigungsrelief aus dem 10. Jahrhundert. Der vermeintliche Grabstein trägt die Inschrift: „Bischof Landelous gab dieses Werk in Auftrag.“ Heute weiss man: Das Kirchlein am nördlichen Dorfrand von Herznach ist weder das älteste Gotteshaus des Fricktals, noch beherbergt es das Grab des 961 erwähnten Bischofs Landelous. Hingegen wurden bei der Kapelle 1668 elf Pesttote aus dem benachbarten Ueken bestattet. Sie waren die letzten Opfer dieser Seuche im Fricktal.
Archäologische Grabungen in und bei der Kapelle lieferten 1990/91 erstaunliche Erkenntnisse. Demnach entstand die erste Kapelle in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts auf dem Areal eines Herrenhofs, der allmählich zu einer Burg erweitert wurde. Folglich besass das Kirchlein, eine der ältesten Kultstätten der hl. Verena ausserhalb von Zurzach, den Status einer Burgkapelle.
Heiligtum der Bergleute
Von der im 15. Jahrhundert abgebrochenen Burg blieb die Kapelle erhalten. Ihr heutiges Aussehen erhielt sie 1516. Aus jener Zeit stammt ein prächtiger spätgotischer Flügelaltar, der zum Ziel von Pilgern aus der Umgebung und dem nahen Schwarzwald wurde. Auffallenderweise stehen drei der sechs auf dem Altar dargestellten Heiligen mit dem Bergbau und dem Eisengewerbe in Verbindung: Barbara, Patronin der Bergleute, Agatha, die Schutzheilige der Köhler und Schmelzofenarbeiter und Eligius, Patron der Schmiede und Fuhrleute. Dies ist kein Zufall, entstand doch der Altar in der Blütezeit des fricktalischen Eisenerzabbaus und des eisenverarbeitenden Gewerbes.
Abgewanderte Kunstwerke
Die Feuchtigkeit in der Kapelle setzte dem hölzernen Altar derart zu, dass ihn der Kanton 1903 der Kirchgemeinde abkaufte und restaurierte. Im folgenden Jahr gelangte auch der Landelousstein in den Besitz des Staates. Beide Objekte gehören heute dem Museum Aargau.
Der 1991 renovierte Kapellenraum gibt sich bescheiden. An den Seitenwänden befinden sich qualitativ mittelmässige Kopien der Flügelaltarfiguren Verena, Eligius, Agatha und Ägidius, vorn blicken barocke Statuen des Bauernheiligen Wendelin und des Pestpatrons Rochus auf die Gläubigen herab, und auf einem Ecktisch steht eine Madonna aus dem 19. Jahrhundert. Als Ersatz für die beiden abgewanderten Kunstwerke hängen Fotografien des Flügelaltars und des Landeloussteins an der Wand bzw. am Altarsockel. (lh)